Laufende Projekte
Waldweide
Nachhaltige Entwicklung historischer Hutewälder durch Waldweide
Vom Beginn der Viehhaltung in der Jungsteinzeit bis in die jüngere Vergangenheit prägte die Waldweide die Artenzusammensetzung und Struktur mitteleuropäischer Wälder. Die entstandenen Hutewälder vereinen auf kleinstem Raum heute selten gewordene Strukturen wie Alt- und Totholz sowie Lichtwaldstrukturen, die eine schützenswerte Artenvielfalt bedingen. Besonders historische Hutewälder sind artenreich und beherbergen zahlreiche seltene Insekten, Vögel, Fledermäuse, Pilze, Moose und Gefäßpflanzen. Viele holzbewohnende Arten sind auf eine lange Habitatkontinuität angewiesen und können neue Lebensräume nur schwer besiedeln.
Als Hotspots der Biodiversität bilden historische Hutewälder einen wertvollen Übergang zwischen Offenland- und Waldhabitaten. Ihr halboffener Charakter ermöglicht Wanderbewegungen von Arten und stärkt den Biotopverbund. Die Weidetiere sind dabei Ausbreitungsvektoren, die für die Vernetzung von Naturschutzflächen eine große Bedeutung haben. Gerade im Klimawandel bieten sie durch ihre Vielfalt an Mikrohabitaten und Mikroklimaten wichtige Rückzugsräume für Arten, die besonders empfindlich auf Temperaturveränderungen, Trockenheit oder extreme Wetterereignisse reagieren.
Waldweidesysteme gelten als „high nature value landscapes" – extensive Landnutzungssysteme mit hoher Biodiversität. Sie werden in verschiedenen Programmen auf Landes- und Bundesebene gefordert, darunter in der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt 2030. Auch der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik empfiehlt sie. Neben dem Erhalt der historisch gewachsenen Artenvielfalt tragen Waldweidesysteme dazu bei, alte Nutztierrassen zu erhalten, die traditionell für diese Form der Bewirtschaftung geeignet sind.
Um die Grundlagen für den Erhalt historischer Hutewälder zu schaffen, hat die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA) im Zeitraum November 2022–Dezember 2024 das DBU-Projekt „Hutewald" zur Sammlung und praxisnahen Aufbereitung historischen und aktuellen Wissens über Hutewälder in Nordwestdeutschland durchgeführt. Dieses beinhaltete auch eine aktuelle Flächenbilanzierung von historischen Hutewäldern.
Das hier dargestellte Projekt baut auf diesem Forschungsvorhaben auf. Es soll dazu beitragen, die Waldweidenutzung in historischen Hutewaldbeständen neu zu beleben und so die Habitatkontinuität der Flächen zusammen mit ihren sozial-ökologischen Werten zu erhalten. Hier steht es am Schnittpunkt zwischen Wissenschaft und Naturschutzpraxis.
Das Projekt behandelt folgende Arbeitsschwerpunkte:
- Konzepterstellung zusammen mit lokalen Akteur:innen zum Erhalt historischer Hutewaldflächen in der Modellregion Nordhessen/Südniedersachsen durch Flächenentwicklung und ‑regeneration
- Zielgruppenorientierte Öffentlichkeitsarbeit und mit Praxisakteur:innen
- Beantwortung von Praxisfragen der Hutewaldpflege und -bewirtschaftung
- Entwicklung eines Leitfadens zur Hutewaldentwicklung und -bewirtschaftung
Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), Aktenzeichen 39867/01

Wolbeck D., Mölder A., Schmidt M. (2025): Merkmale historischer Hutewälder in Deutschland. AFZ-DerWald 80(2): 12–16. (PDF)
Vorgängerprojekt „Hutewälder – Verbreitung, Biodiversität und Strategien zur Re-Etablierung einer agroforstlichen Waldnutzung“
Projektdarstellung auf der Seite der DBU: www.dbu.de